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Veröffentlichung "Verfassungsrechtsprechung in Russland"

Verfassungsgerichtsentscheidungen dokumentieren nicht nur die Auseinandersetzungen, die um die rechtliche Grundordnung eines Staates geführt werden und geben Antworten auf konkrete, meist besonders kontroverse Fragen, sondern sind zugleich auch Zeugnisse der jeweiligen Rechtskultur. Die Kenntnis ausländischer Verfassungsgerichtsentscheidungen vermag so einen Einblick in das Rechtsdenken in anderen Ländern zu vermitteln. Nicht das Ergebnis einer Entscheidung allein ist relevant, vielmehr zeigen gerade die Argumentationsweise und der Urteilsstil Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen dem Rechtsverständnis in verschiedenen Ländern auf. Zudem können Verfassungsgerichtsentscheidungen, gerade wenn sie Machtfragen in einer konkreten historischen Situation betreffen, Dokumente von zeitgeschichtlicher Bedeutung sein.

Das Russische Verfassungsgericht hat im Jahr 2006 sein 15-jähriges Bestehen gefeiert. Einzelne Entscheidungen haben Schlagzeilen gemacht, so etwa die Entscheidung zur Rechtmäßigkeit der Auflösung der Kommunistischen Partei oder die Entscheidung zum Einmarschbefehl in Tschetschenien. Im Übrigen aber sind die inzwischen weit über 300 Entscheidungen außerhalb von Russland kaum bekannt.

Mit dem vorliegenden Band soll der deutschsprachigen Leserschaft eine Auswahl der Entscheidungen des Russischen Verfassungsgerichts vorgestellt werden. Dokumentiert und analysiert werden Urteile aus den verschiedenen Entwicklungsphasen der Verfassungsgerichtsbarkeit sowie zu den verschiedenen Themen, über die vor dem Verfassungsgericht verhandelt wurde. Die staatsorganisationsrechtlichen Entscheidungen sind ein Spiegel der Entwicklung des Staatsverständnisses vom Ende der Sowjetunion und dem Beginn der Präsidentschaft Jelzins bis zur späten Putin-Zeit. Die Entscheidungen zu Grundrechtskonflikten betreffen so unterschiedliche Fragen wie die Todesstrafe, die Vererblichkeit des Kolchoseigentums, die Pressefreiheit vor Wahlen oder das Recht, die eigenen Verwandten zu beerdigen, wenn sie bei einem Anti-Terroreinsatz als mutmaßliche Terroristen getötet worden sind.

Eine Einleitung zur Bedeutung der Verfassungsgerichtsbarkeit aus russischer Sicht sowie Erläuterungen zu den Besonderheiten des Verfassungsprozessrechts und zu den verschiedenen Entwicklungsphasen der Rechtsprechung ergänzen den dokumentarischen Teil, in dem die Entscheidungen im vollen Wortlaut zusammen mit den Sondervoten wiedergegeben werden.

Ermöglicht wurden Dokumentation und Analyse aufgrund der großzügigen finanziellen Unterstützung durch die Thyssen-Stiftung, der unser besonderer Dank gilt.

Nußberger Angelika, Tamara Morščakova, Carmen Schmidt (Hg.)

Verfassungsrechtsprechung in Russland. Dokumentation und Analyse der Entscheidungen von 1992-2007

N.P. Engel Verlag